Hier wird laut und herzhaft gelacht. “Ey, nicht dein ERNST!” Ihre Hand grabbelt nach deinem Bizeps – wenn Gigi jetzt vom Stuhl fällt, hält da bitte einer die Kamera drauf. Wir machen auch am Boden einen bezaubernden Eindruck, lass dich von dem Resting Bitch Face nicht täuschen: Auf der Website der Agentur blitzt das Pageant-Lächeln. In der Jobbeschreibung steht Princess Performer, im Betreff des Auftrags SCHWIERIGE MUTTER und am iPhone säuselt Gigis verrauchte Stimme zwei Oktaven höher, demütig: “Ma’am, das wird ein perfekter Geburtstag.” Weil Micky Maus top Anwälte hat, buchst du nicht Belle, sondern die Französische Prinzessin. Wie aggressiv das Biest denn so im Bett sei, fragt ein grillender Vater am vierten Geburtstag. Kann sie ab. Hat Mamas Traum von der weltberühmten Little Miss Tiny Hussy in Florida unerfüllt zurückgelassen, bisschen was von der Welt gesehen auf Kreuzern und bei American Airlines. Langfristige Pläne? Ist wie Zähne ziehen. Wortwörtlich. Dental Assistant. Man könnte sich ja mal einschreiben am College. Jaja. Eben. Könnte.

Vor 24 Jahren erblickte ich das Licht der Welt. Meine Kindheit verbrachte ich in Elizabeth, New Jersey. Dort lernte ich alles, was man eben so für das Leben braucht. Meine Kindheit war schön, aber viel zu schnell zu Ende. Ich war 13 Jahre, als meine Mutter starb und 16 Jahre, als ich Mutter und Ehefrau wurde. Seit damals lebe ich auch in Brooklyn in dem Haus meiner Schwiegermutter. Ich bin Hausfrau oder wie ich es gerne nenne Familienmanagerin. Einmal die Woche helfe ich in der Suppenküche als Ehrenamtliche aus. Außerdem bin ich aktiv im Elternbeirat und gehe regelmäßig zum Yoga. Man könnte sagen, ich führe ein gutbürgerliches Leben, aber reicht mir das? Macht mich das wirklich glücklich? Ich bin mir da nicht mehr so sicher.

„Sie sind doch eine Blanchard?“ - Eine Frage, welche gut und gerne Mal eine blitzartige Migräne bei dem früheren Gesundheitsapostel auszulösen vermag. „Nein, ich bin eine Hadley“, gibt die zierliche Frau dann zumeist in reserviertem Tonfall und mittlerweile zähneknirschend zurück. Weder der mit dem Skandal ihrer Familie behafteten Name Blanchard, noch der Nachname ihres noch Ehemanns Carson Hadley trägt die 32-jährige Brünette mit besonderem Stolz. Zumindest Zweiteres bringt noch eine gewisse Form von Prestige und Vorteilen mit, auch wenn diese gut und gerne mit einem sehr bitteren Beigeschmack einhergehen. Immerhin lebt man in Scheidung, führt einen Rosenkrieg - welcher sich mit allen Wassern gewaschen hat - und versucht einander auch ja noch den allerletzten Nerv zu rauben. Eigentlich hätte Elenore, die von den meisten Menschen in ihrem Umfeld einfach nur Nell genannt wird, den Ausgang ihrer Ehe schon ab Tag eins absehen müssen. Immerhin hatten ihre Vorgängerinnen ihr mehr als nur ein Vorbild sein sollen. Aber als Ehefrau No. 3 war sie doch viel zu lange in dem Bann des 17 Jahre älteren CEO von Hadley Media gefangen gewesen, hätte sich seinen Willen als den ihren aufdrücken lassen und doch stets für sich und ihre Karriere gekämpft. Als freischaffende Kunsthändlerin stets für ihre Kunden in der Weltgeschichte unterwegs und auch nebenher in der Galerie Wolff & Schmitt als externe Beraterin tätig lebt Nell sprichwörtlich für die Kunst und ihre Geschichte. Etwas, dass ihrem Ex- Mann, dessen Einstellung gerne Mal in den 60er Jahren hängen geblieben ist, stets missfiel. Sollte sie doch viel lieber seine Frau sein und irgendwann auch seine Kinder kriegen. Doch der Wunsch bald Mutter zu werden geriet besonders seit Carsons Seitensprung vor einem knappen Jahr in immer weitere Ferne. Da half nicht einmal die teuren Stunden bei ihrer Paartherapeutin. Geplatzt war die Seifenblase von dem Ritter in glänzender Rüstung, der sie vor der gesamten New Yorker High Scociety vor drei Jahre noch zur Frau genommen und ihr nach dem Skandal ihrer Familie einen Rettungsanker zugeworfen hatte. Seitdem herrschte sprichwörtlich der Haussegen schief und fand seinen Höhepunkt darin, dass der Ältere ihr vor einigen Wochen selbst eine Affäre unterstellte und die Scheidung verlangte. Kurzerhand zog Nell bei ihrer guten Freundin Ophelia Rutherford und in deren Gästezimmer ein, wo sie seither lebt und versucht ihr neues Leben und besonders ihre neu gewonnene Freiheit zu begreifen und alles an sich selbst zu hinterfragen. Wer ist überhaupt Elenore Diane Hadley? Was will sie vom Leben und mag sie vielleicht doch Zucker und Fast Food, wo sie über Jahre hinweg den absoluten Gesundheitsapostel gegeben hat? Sie weiß es nicht und ist doch offen dafür es herauszufinden und sich selbst neu zu finden.